
Mögliche Reaktionen nach einer Vergewaltigung
Jede Vergewaltigung bedeutet eine tiefe körperliche und seelische Verletzung. Auf dieser Seite greifen wir einige Fragen und Erlebnisweisen auf, die im Zusammenhang mit der seelischen Verarbeitung einer Vergewaltigung auftreten können.
Danach ist nichts mehr, wie es einmal war
... mit diesen und ähnlichen Worten beschreiben viele Frauen und Mädchen die massiven Auswirkungen einer Vergewaltigung. Im Anschluss an eine Vergewaltigung verlieren die meisten Opfer die grundlegenden Gefühle von Sicherheit und Kontrolle über das eigene Leben. Oft zerbricht von einem Moment auf den anderen das Vertrauen in die eigene Person, in andere Menschen und in die Zukunft. Zudem nehmen Frauen und Mädchen sehr häufig Reaktionen und Erlebensweisen bei sich wahr, die sie sich zuvor niemals hätten vorstellen können. In dieser belastenden Situation fühlen sich die meisten Betroffenen sehr allein - dem 'normalen' Leben nicht mehr zugehörig.
Ihre Gefühle und Reaktionen sind angemessen und normal
Wenn Sie Opfer einer Vergewaltigung wurden, haben Sie eine extrem bedrohliche Gewaltsituation erlebt - ein sogenanntes Trauma. Während und nach einer Vergewaltigung gibt es keine richtigen oder falschen Reaktionen. Jede Frau und jedes Mädchen ist unterschiedlich und reagiert so, wie es ihrer Persönlichkeit entspricht. Dennoch möchten wir Ihnen hier einige Erlebens- und Reaktionsweisen darstellen, die häufig auftreten.
Während einer Vergewaltigung erlebt jede Frau und jedes Mädchen furchtbare Angst und die erniedrigende Ohnmacht, dem Willen eines anderen Menschen schutzlos ausgeliefert zu sein. In einer solch angstbesetzten Schocksituation greift der menschliche Organismus oftmals ganz automatisch zu 'außergewöhnlichen' Reaktionen. Viele Betroffene fühlen sich plötzlich wie gelähmt. Einige Frauen haben das Gefühl, als ob sie ihren Körper verlassen und die Situation von außen betrachten. Andere wehren sich körperlich oder verwickeln den Täter in ein Gespräch. Der seelische Schock kann Stunden oder Tage andauern und zu unterschiedlichen Reaktionen führen. Manche Frauen wirken ruhig oder gefasst - andere weinen oder brechen zusammen.
Langfristig leiden die meisten Frauen und Mädchen unter andauernder Angst, plagenden Schuldgefühlen, Scham und der tiefen Erniedrigung. Häufige Folgen sind ebenfalls: wiederkehrende und quälende Erinnerungen an die Tat, Alpträume, beängstigende Unwirklichkeitsgefühle, Konzentrationsprobleme sowie die Vermeidung von Situationen, die an die Tat erinnern. Auch kommt es oftmals zu entgegengesetzten Gefühlsschwankungen. Diese pendeln zumeist hin und her zwischen den ungewollten Erinnerungen an die Tat und dem Wunsch, möglichst bald alles vergessen zu wollen. Diese und/oder weitere Folgen treten manchmal erst nach Wochen, Monaten oder nach längerer Zeit (wieder) auf.
In Anbetracht der massiven Gewalterfahrung, die Sie erfahren haben, sind Ihre Gefühle und Reaktion zu jedem Zeitpunkt angemessen und normal.
Die Verantwortung trägt der Täter allein
Es kann nicht oft genug betont werden: Egal wie Sie sich verhalten oder gekleidet haben, ob Sie sich körperlich wehren konnten oder nicht, ob Sie den Täter kannten oder Zärtlichkeiten mit ihm ausgetauscht haben - in keinem Fall trifft Sie die Schuld an der Vergewaltigung. Ihr Nein bedeutet Nein, in jeder Situation und zu jedem Zeitpunkt. Niemand hat das Recht, Ihre körperlichen, seelischen oder sexuellen Grenzen zu verletzen.
Bleiben Sie in der belastenden Situation nicht allein
Reden Sie mit einer Freundin oder mit einer anderen Person Ihres Vertrauens über alles, was Sie augenblicklich bewegt. Dieser Schritt fällt den meisten Frauen und Mädchen sehr schwer, vor allem weil das Vertrauen in andere Menschen so massiv erschüttert wurde. Dennoch möchten wir Sie ermutigen, sich Hilfe bei mindestens einem vertrauten Menschen und/oder bei einer Mitarbeiterin der Beratungsstelle Frauen-Notruf zu holen. Dies ist ein erster Schritt, der Ihnen helfen kann, das Erlebte aktiv zu bewältigen.
Heilung ist möglich
Jede Wunde braucht Zeit, pflegende Umsorgung und Schutz, damit sie heilen kann. Gleiches gilt für die tiefe seelische Verletzung nach einer Vergewaltigung. Nehmen Sie sich die Zeit und gönnen Sie sich die Ruhe, die Sie für Ihre Erholung benötigen. Niemand kann von außen bestimmen, wann Sie wieder in Ihren Alltag zurückfinden. Auch Sie sollten sich nicht drängen, möglichst rasch mit 'allem fertig' zu werden. Achten Sie bitte auch darauf, dass Sie sich wieder sicher fühlen können, z.B. dadurch, dass Sie sich in Angstsituationen an einen vertrauten Menschen wenden.
Professionelle Unterstützung kann bei der Bewältigung einer Vergewaltigung hilfreich sein. Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle Frauen-Notruf können Ihnen z.B. helfen, einen entlastenden Umgang mit den oft überwältigenden Erinnerungen und Gefühlen zu finden. Wir wissen, dass die seelische Verletzung heilen kann - auch dann, wenn die Gewalterfahrung lange zurückliegt. Bei der (Wieder-)Entdeckung Ihrer Selbstheilungskräfte unterstützen wir Sie gerne.
Wenn Sie unmittelbar bedroht sind
Die meisten Vergewaltigungen werden von Männern aus dem nahen sozialen Umfeld verübt. Gerade dann, wenn der Täter ein Bekannter, Verwandter oder der eigene Lebenspartner ist, erscheint vielen Frauen und Mädchen ihre Situation als ausweglos. Nicht selten sind Frauen und Mädchen dann wiederholten Gewalthandlungen und einem extremen Geheimhaltungsdruck ausgesetzt.
Wir möchten Sie in dieser Situation nicht allein lassen. Wenn Sie sich an die Beratungsstelle Frauen-Notruf wenden, können wir gemeinsam überlegen, welchen Schutz es für Sie gibt. Alles, was Sie uns sagen, bleibt vertraulich. Keine Mitarbeiterin wird versuchen, Sie zu etwas zu überreden, was Sie nicht wollen.
Weitere Informationen
Rufen Sie uns an. Wir beraten Sie gerne.
0251/34443